rybicki.at

Viktoria's portfolio page

Zsá Zsá und die Glock unter ihrem Rock

Zsá Zsá – der neue Stern am sorgfältig gepflanzt und kuratierten Deutschrap Himmel. Sexy, jung und keck kommt die 29 jährige gebürtige Pforzheimerin gefühlt aus dem Nichts und chartet mit ihrem Song Bad Bunie$ (get it, Bunie$ mit einem Dollar Zeichen – cause she’s just so international) und sorgt gleich mal für Aufsehen, weil sie…

Oder: Warum Kinkshaming manchmal okay ist

Wer ist Zsá Zsá?

Zsá Zsá – der neue Stern am sorgfältig gepflanzt und kuratierten Deutschrap Himmel. Sexy, jung und keck kommt die 29 jährige gebürtige Pforzheimerin gefühlt aus dem Nichts und chartet mit ihrem Song Bad Bunie$ (get it, Bunie$ mit einem Dollar Zeichen – cause she’s just so international) und sorgt gleich mal für Aufsehen, weil sie es “ein kleines bisschen heiß” findet wenn der Boy in ihrem Track (oder ihrer Fantasie) ihr droht.

Natürlich voll feministisch. Und selbstbestimmt. Und das Ganze hätte man natürlich auf das etwas weniger problematische “choked” ändern können, aber “droht” fließt doch besser (laut “Zsazsi” jedenfalls). Und aufgenommen ist das Ganze auch schon so. Und überhaupt ist das alles ganz tolle Publicity.

Bekannt aus den “Wilden Hühnern”, ist Zsá Zsá Inci Bürkle (die zugegebermaßen einen sehr coolen Namen hat) zunächst in Berlin aufgewachsen, wohin sie mit 6 Jahren hingezogen ist, um dann als Teenager mit ihrer Mama das New York City Life zu leben. Dort absolvierte sie dann die High School und besuchte anschließend das “Lee Strasberg Theatre and Film Institute”, an dem auch Größen wie Adam Sandler, Julia Roberts und Christoph Waltz ihr Handwerk gelernt haben. Nach den Hühnern war sie noch in Doctors Diary, einer Nebenrolle in Fack Ju Göthe 2, und dem ein oder anderen Fernsehfilm zu sehen. Karriereglück für diese hochkarätige Ausbildung? Ich sag mal so…hmm…naja.

Aber wer reiche Eltern hat der findet immer einen Weg und so kommt Zsá Zsá nicht nur schnurstracks an einen Label Deal bei Sony, sondern 2014 auch zu ihrer ersten eigenen EP. Die unter The Orchard, eine Sony Tochterfirma, veröffentlichte Platte glänzt durch nichts hervor. Mid Hyperpop mit noch midderen Lyrics. Von “I hate my body”, zu “I am so anxious”, über “I have issues”, ist da nicht wirklich viel Substanz zu finden. Thanks normschönes rich gurl, dass du uns alles über deine sehr einzigartigen Probleme erzählst – very cool.

Nachdem es mit dem von Mami und Papi finanzierten Karriereglück in den USA nicht so ganz geklappt hat, pivotted man mal ganz geschwind und probiert es halt eben in Deutschland. Da es offensichtlich nicht mit 0815 Hyperpop funktioniert hat und das für Deutschland sowieso ein kleines bisschen zu advanced ist, schaut man sich halt um wer aktuell so angesagt ist.

Und siehe da: Ikkimel. Beide haben lange Haare, beide tall, blond & skinny, beide vielleicht ein kleines Problem mit Substanzen (aber so, dass es noch hot ist wie bei Charli xcx ) und beide einen fragwürdigen Männergeschmack. Der große Unterschied: Ikkimel hat Theorie gecheckt. Also die feministische mein ich, bei allen anderen bin ich mir etwas unsicher. Wie dem auch sei, pseudofeministische Mukke schreibt man, wie Shirin David ja schon vorgemacht hat, am besten mit drei cis Dudes. Und so holt sich Zsá Zsá 2sick (Jindi & Dilovan Othmann) und Replay Okay (Jan Paul Olthoff) mit an Board und das Trio Quartett ist perfekt.

Deutschrap und die “female MCs”

Kollegah meint das natürlich als female self-empowerment wenn er von seiner Rolle als Zuhälter redet, SSIO ist nur body-positive wenn er sagt, dass er auch “dickere Frauen bumst”. Es wird oft über Frauen und ihre Körper geredet, selten mit ihnen. Deutschrap hats halt nicht so mit den Frauen. Oder Queers. Oder eigentlich allem und jedem der:die nicht cis, männlich, hetero und ordentlich Testosteron beladen ist. Den ein oder anderen Ausreißer gibts mit Yung Hurn natürlich auch – der passt eigentlich so gar nicht ins klassische Deutschrap Bild, Sexismus hat er aber drauf wie die ganz Großen!

Female MCs gibts seitdem es Hip-Hop gibt – also schon immer. Warum da “female” davor stehen muss weiß zwar keiner so richtig, aber nach “Frauenfußball” und “Frauenschach” (wtf eigentlich?) findet man ein Muster.

Frauen im Deutschrap haben ihre größeren Gehversuche in den frühen 2000ern mit Kitty Kat und Schwesta Ewa gefunden. Eigentlich macht Kitty Kat lieber Lumara-Style Emo Tracks, auf Biatch rappt sie aber trotzdem darüber, wie geil es wäre ein Mann zu sein, nur um dann selbst Frauen wie Scheiße behandeln zu können. Aggro Berlin brauchte nunmal ab und zu eine Vorzeige-Assi-Frau.

Gleichzeitig erzählt Schwesta Ewa auf Schwätza ganz stolz von ihrem Leben als Prostituierte und über ihren Zuhälter, der sie beschützt. Die ersten paar Jahre des Female German Raps waren unangenehm und cringy. Vor allem bei Schwesta Ewa hat man immer das Gefühl, dass sie so kurz davor ist es zu checken (auf Realität sagt sie “[..] weil es für Frauen wie mich ohne Rotlicht kein Brot gibt”), nur um dann in Echt selber wegen Zuhälterei und Menschenhandel vor Gericht zu landen.

Vor allem in den frühen 2000ern wurden patriarchale Normen nicht aufgebrochen, sondern Frauen im Rapgame haben sich viel mehr in die Position eines männlichen Gangster Rappers gestellt um an Erfolg zu kommen. Misogynie als Frau war der USP – zwischen den Zeilen kann man sich dann immer mal wieder kritisch zeigen. Aber bitte nicht zu viel und auch nicht zu offensichtlich. Frauen im Rap sind ja eh okay… solange sie unser Weltbild irgendwie bestätigen/verstärken. Der Deal den Frauen im Hip-Hop also scheinbar eingehen mussten war: “Du reproduzierst patriarchale Werte und darfst dafür hin und wieder auch so tun, als hättest du was zu sagen”. Dabei war es ganz egal, ob das wirklich ihren eigenen Meinungen entsprochen hat. Ähnlich wie Money Boy und seinem Hänger-Image, das mittlerweile nicht mehr ganz so unecht scheint, internalisiert man so ein Weltbild halt irgendwann zwangsläufig.

Okay – also “grundlos” (im Auge der überwiegend männlichen Raphörerschaft) aufs Patriarchat pissen auch in den 2010er Jahren eher schwierig. Aber vor allem seit RBA, VBT, JBB, etc. ist Battlerap gerade en vogue. Die perfekte Plattform, um Leute quasi Konsequenz frei fertig zu machen. Und während in den ersten paar Jahren das Feld noch exklusiv männlich war, änderte sich das während der Battlerap Hochphase 2012-2014. Vor allem das VBT 2012, VBT 2013 und die VBT 2013 Splash Edition stechen hier heraus. Mit Acts wie Vist, Vitality, Naya Isso und Ésmaticx wurde das Teilnehmerfeld zum Teilnehmer:innenfeld. Das war natürlich nicht reine Willkür, oder weil Battlerap jetzt das musikalisch ansprochvollste Medium ist, sondern viel eher bietet Battlerap für Frauen eine Möglichkeit sich offen gegen Misogynie zu stellen, patriarchale Rollen aufzubrechen und gottlos mit Machete auf Makker loszugehen. Da das alles aber immer noch im Deckmantel von Battlerap ist und die geäußerte Kritik nicht wirklich systemischer Natur ist (schließlich sind Battles meist im 1v1 Format), sind die Tracks vor allem für die vorwiegend männliche Zuhörerschaft leicht verdaubar.

Nichtsdestotrotz, hier wurde das erste Mal eine Plattform geschaffen, in der sich Frauen nicht aktiv in die Rolle der Unterdrückerin anderer Frauen begeben haben, sondern sich bewusst gegen das Reproduzieren von patriarchalen Bildern entschieden haben.

Es fehlte aber trotzdem die Massentauglichkeit. Womit wir bei SXTN angelangt wären. In, bzw. kurz nach der deutschen Battlerap Hype Phase, gründet sich das Rap Duo SXTN bestehend aus Judith Wessendorf aka Juju und Nura Habib Omer (dessen Vorname schon cool genug für einen Rapperinnennamen ist). Also was hat SXTN so besonders gemacht, außer dass sie catchy Melodien hatten und beide wunderschöne Frauen sind?

SXTN wenden sich dem male gaze aktiv ab und bewegen sich einen Schritt näher zu tatsächlicher female sexual liberation ohne männliche Bestätigung zu brauchen, oder sie auch nur zu wollen. Sie sehen sich selbst als Sex Symbole und wenn Typen meinen, dass sie ihnen Bestätigung geben müssen damit sie es auch sind, sind die Typen die Vollidioten (cause who tf are men anyways?). Kurz: SXTN zeigt die audacity von Männern auf.

Aber die Beiden können auch mehr Aggro: auf Fotzen im Club reden sie darüber, dass sie “Im Bus Jungs ohne Grund vermöbeln” würden und sich gleichzeitig von Männern Kippen und Bier bezahlen lassen würden. Nicht nur reapropriatet SXTN hier das Wort “Fotze” (you’re welcome Ikkimel), auch lassen sie ihre Wut auf Männer freien Lauf und reden darüber, dass nicht sie von Männern ausgebeutet werde, sondern sie die Männer jetzt ausbeuten und diese zu dumm oder zu unfähig sind um irgendwas dagegen zu tun.

Obwohl es auch genug Gegenwind und genug gekränkte Männeregos gab die scheinbar endlos Energie hatten um SXTN niederzumachen, waren die Tracks catchy und die Lyrics einfach genug, damit der Großteil die tatsächliche Kritik nicht checkt. Men are stupid like that, und so wurde SXTN mainstream.

Die Neue generation

SXTN hat bewiesen, dass sich nicht in patriarchale Rollen zwängen lassen, mainstream sein kann. Jetzt kanns auch gerne etwas radikaler werden. Und so kommen Artists wie Yung FSK18, Swear Boss und eben auch Ikkimel in der Szene auf. Der Markt ist da, man muss ihn nur suchen. Während Yung FSK18 und Swear Boss eher niche sind und waren, schafft Ikkimel den Durchbruch. Ikkimel rappt so wie Männer über Frauen rappen – halt nur über Männer. Der Sound ist popig, sexy, neu. Hyperrap ist hier.

Ikkimel lässt sich nicht dominieren. Während männliche Rapper wie Yung Hurn davon rappen, dass sie Frauen ins Gesicht spucken, dreht Ikkimel und Spieß um und rappt darüber, dass sie Männern ins Gesicht spuckt. Ikkimel ist also der perfekte Spiegel im Antlitz des männlich dominierten Rap-Kosmos. Swear Boss ist hier nochmal eine Sache für sich und geht noch einen Schritt weiter. Bei Swear Boss werden Männer versklavt, dominiert und erniedrigt. Sehr cool, aber halt nicht so massentauglich.

Kommen wir nun zu unserer Hauptdarstellerin. Zsá Zsá versucht Musik im Ikkimel Style zu machen, hat aber Ikkis Formel nicht ganz geknackt (falls sie es überhaupt jemals vorhatte). Anders als Ikkimel (die als frühere Germanistik Studentin Lyrik begriffen hat), hat “Zsazsi” in ihren Tracks nicht die Kontrolle. Ganz im Gegenteil: sie heißt gut, dass der Mann die Kontrolle hat – sie kann ja eh “jederzeit Stopp sagen”. Zsá Zsá reiht sich damit nicht zu Ikkimel, Swear Boss und SXTN ein, sondern eher zu Farid Bang, Kollegah, Yung Hurn und wie sie alle heißen. Sie hinterfragt Nichts und auch ihre vermeintliche sexuelle Selbstbestimmtheit wirkt eher fremdbestimmt.

Um es einfacher auszudrücken: Zsá Zsá rappt aus der Perspektive von den Girls mit denen Yung Hurn was hat (bzw. die Yung Hurn misshandelt), findet sich geil dafür und festigt das so als Norm. Kollegah sagt das hat mit Hip-Hop nichts zu tun, ich sage das hat mit Feminismus nichts zu tun.

Und während Frauen im Rapgame nicht zwangsläufig feministisch sein müssen nur weil sie Frauen sind (siehe Shirin David), ist es verwunderlich, dass Zsá Zsá sich dennoch an Ikkimel (die ja sehr wohl feministisch ist und dies auch häufig klar macht) bedient und so ihr eigenes Image pusht.

popkultur und zeitgeist

Diese Problematiken finden wir natürlich nicht nur in der Musik, sondern auch in allgemeiner Popkultur. Smut ist In. Zuerst die Fanfictions (S/O an Wattpad und AO3) dann Fifty Shades. Abusive Relationships, Stalking, Incest, CNC wird jetzt aus vermeintlich weiblicher Perspektive erzählt und als etwas “verbotenes” dargestellt – etwas was unter Umständen anturnend sein kann, oder vielleicht sogar zu einer Vorliebe wird.

Die Meinungen spalten sich hierzu, auch meinerseits. Es ist zwar cool, dass Sex heutzutage nicht mehr aus einem Leintuch mit Loch und Missionarstellung besteht und diesen Fortschritt haben wir definitiv auch irgendwo dem Smut zu verdanken. FLINTA* Personen haben durch Dark Romance eine Möglichkeit gefunden Kinks zu erkunden, ohne sich wirklich in Gefahr zu bringen – andererseits sollte man sich vielleicht auch damit befassen warum diese Fantasie denn so attraktiv ist und wie dieser Kink bei einem überhaupt angekommen ist. Es sollte uns auf jeden Fall bewusst sein, dass Kinks (egal welcher Natur) nie eine original idea sind, sondern immer aus der Gesellschaft und ihren Normen heraus entstehen. Auch die Medienlandschaft bewegt sich nicht in einem luftleeren Raum – die Kinks sind schon vorbestimmt und wir tindern uns lediglich durch sie durch (i.e. wählen unsere aus dem Katalog aus – der natürlich patriarchal und heteronormativ geprägt ist). Zsá Zsá’s Musik ist ein Spiegel der Kinks die da draußen so rumfliegen, egal wie fragwürdig oder sogar verwerflich sie auch sein mögen. Für Zsá Zsá ist dabei nichts Kritikwürdiges dran. Sie sieht das als sexuelle Befreiung und jede:r die:der das hinterfragt ist einfach nicht so SeXpOsItIv wie sie. Wenn du dich in dem Lifestyle nicht wiederfindest, wirst du auch schwer was mit ihrer Musik anfangen können.

Ähnliches gilt auch für Ikkimel. If you fuck with her lyrics (i.e. der Traum eines Matriarchats, das komplette Umdrehen von Geschlechterbildern, etc.), you fuck with her music. Also warum fucke ich mit Ikkimel und mit Zsá Zsá so gar nicht?

Zsá Zsá rappt über Gewaltfantasien an ihr die vermeintlich konsensual passieren, denkt aber nicht an die Millionen von FLINTA* Personen denen sowas jährlich unfreiwillig passiert. Versteht mich nicht falsch, Kinks sind bis zu einem gewissen Grad cool und normal. Aber wir alle sollten uns Fragen woher unsere Kinks überhaupt kommen. Einfach zu sagen, dass man es heiß findet wenn jemand dir droht, oder dir eine “Glock unter den Rock schiebt” ohne jegliche Einordnung is not it.

Während Ikkimel eine überspitzte Rolle spielt, meint Zsá Zsá das vermeintlich alles ernst. Zsá Zsá bedient sich vom Stil her an über 20 Jahren feministischer Deutschrap Emanzipation, aber bricht das mit ihrer Message komplett ein. Schade für sie. Wenn Zsá Zsá weiß was sie da macht, ziemlicher dickmove. Wenn nicht, we worry about you, girl.